Keltische Sprachen
Signation und Outro, Musik: Tin whistle by louis_audp, shared on Freesound, CC Attribution 3.0 license
Jingle, Musik: Irish dancing by tim.kahn, shared on Freesound, CC Attribution 3.0 license
In welcher Sprache haben sich die Kelten unterhalten? Welche Sprache könnte im Hallstätter Bergwerk und am Dürrnberg zu hören gewesen sein? Und wieviel hat die Sprache der antiken Kelten mit den heute noch bekannten keltischen Sprachen in Irland, Schottland und Wales gemein? Um diesen Fragen nachzugehen, begeben wir uns in das Feld der historischen Sprachwissenschaft, die sich mit dem Sprachgebrauch in vergangenen Zeiten und dem Sprachwandel beschäftigt. Während die Archäologie Funde zur Identifizierung keltischer Stätten und Siedlungen heranzieht, nimmt die Sprachwissenschaft an: Kelte ist, wer keltisch spricht. Das bedeutet, dass sich der sprachwissenschaftliche und der archäologische Keltenbegriff nicht immer räumlich deckt. Wir können beispielsweise annehmen, dass es Stämme gab, die keltisch sprachen, aber in ihrer Materialkultur nicht den Kelten zuzuordnen sind und solche, die zwar den Hinterlassenschaften nach keltisch waren, aber kein Keltisch sprachen. In der Keltologie werden die archäologischen und sprachwissenschaftlichen Definitionen des Keltenbegriffs gleichwertig nebeneinandergestellt. Beschäftigen wir uns mit der sprachwissenschaftlichen Definition, fokussieren wir auf die keltischen Sprachen als Untersuchungsgegenstand und deren Verbreitung in Europa von der Antike bis heute.
Keltisch bezeichnet in der Sprachwissenschaft einen eigenen Sprachzweig innerhalb der indogermanischen beziehungsweise indoeuropäischen Sprachfamilie. Diese Sprachfamilie umfasst die meisten europäischen Sprachen: vom Deutschen über das Französische bis hin zum Russischen und Griechischen aber beispielsweise auch das Persische oder Hindi. Innerhalb dieser Familie bildet das Keltische wiederum einen eigenen Zweig. Die Sprachwissenschaft geht davon aus, dass am Anfang der Entwicklung das Urkeltische stand, das jedoch nur indirekt fassbar ist. Beispielsweise aus überlieferten Orts- und Personennamen, die oft einen älteren Sprachstand vermuten lassen. Denn Orts- und Personennamen halten sich meistens über lange Zeit und können in andere Sprachen übernommen werden, wenn eine andere Sprachgruppe in das Gebiet einwandert. Aus dem Urkeltischen entstanden in weitere Folge zwei Gruppen von keltischen Sprachen: die ausgestorbenen kontinentalkeltischen Sprachen und die inselkeltischen Sprachen, von denen die meisten heute noch gesprochen werden.
Bei den kontinental- oder auch festlandkeltischen Sprachen handelt es sich um jene keltischen Sprachen, die am europäischen Kontinent gesprochen wurden. Die inselkeltischen Sprachen hingegen wurden und bis heute vor allem auf den britischen Inseln gesprochen werden. Die einzige Ausnahme ist Bretonisch, eine inselkeltische Sprache, die im äußersten Nordwesten Frankreichs heute noch gesprochen wird. Bretonisch ist eng verwandt mit Kornisch, Walisisch und Kumbrisch, das bereits im 12. Jahrhundert ausgestorben ist. Zusammen bilden diese Sprachen die Untergruppe der britannischen Sprachen. Kornisch ist eine wiederbelebte Sprache, die in der englischen Grafschaft Cornwall gesprochen wird. Im späten 18. Jahrhundert ausgestorben, begann bereits im frühen 19. Jahrhundert ein Wiederbelebungsprozess. Seit 2002 ist Kornisch als Minderheitensprache im Vereinigten Königreich anerkannt. Das Walisische hingegen kann eine Erfolgsgeschichte unter den keltischen Sprachen vorweisen. Im späten 20. Jahrhundert war die Sprache weit zurückgedrängt, doch bereits seit dem Jahr 2000 ist Walisisch ein verpflichtendes Schulfach in Wales und seit 2011 sogar offizielle Amts- und Schulsprache. Die Anzahl der Sprecher wächst erfreulicherweise in jüngster Zeit auch wieder.
Die zweite Untergruppe der inselkeltischen Sprachen bilden die goidelischen Sprachen – also Irisch-Gälisch, Schottisch-Gälisch und Manx-Gälisch. Diese drei Sprachen werden oft nur als Gälisch bezeichnet, was mitunter zu Verwechslungen führt. Irisch ist die Hauptamtssprache der Republik Irland und seit 2007 außerdem eine der 24 Amtssprachen der Europäischen Union. Schottisch-Gälisch ist eine Sprache, die heute außerhalb der Highlands und der Inselgruppe der Äußeren Hebriden kaum noch gesprochen wird. Manx wird auf der Isle of Man, einer Insel in der Irischen See, gesprochen und ist wie das Kornische eine wiederbelebte Sprache. Begonnen hat die Wiederbelebung des Manx in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, also noch zu Lebzeiten der letzten Muttersprachler und es war noch möglich, von den letzten Muttersprachlern Manx zu erlernen. Die inselkeltischen Sprachen gelangten mit Auswanderern auch über Europa hinaus. So spricht man heute auch im kanadischen Neuschottland noch vereinzelt Schottisch-Gälisch und findet ein paar wenige Sprecher des Walisischen und Irischen in den Vereinigten Staaten. Ein kleine Besonderheit stellt das argentinische Patagonien dar, wo es eine Sprachgemeinschaft des Walisischen gibt. Während die meisten inselkeltischen Sprachen also bis heute gesprochen werden, sind alle kontinentalkeltischen Sprachen zum Ende des 5. Jahrhunderts n. Chr. bereits ausgestorben. Zu dieser Sprachgruppe zählen das in Norditalien bezeugte Lepontische, das ehemals im heutigen Spanien beheimatete Keltiberische und das Gallische, das vor allem im heutigen Frankreich gesprochen wurde. Von diesen Sprachen gibt es schriftliche Zeugnisse, die Aufschluss über die jeweilige Sprache geben.
In seinen Kommentaren über den Gallischen Krieg schreibt Caesar, dass die Druiden ihre Lehren nicht aufschreiben. Basierend auf dieser Erzählung entstand das Bild einer schriftlosen keltischen Gesellschaft, obwohl selbst Caesar an derselben Stelle erwähnt, dass die Gallier die griechische Schrift benutzten. Funde von gallischen Inschriften in griechischer Schrift gibt es aus dem 3. bis 1. Jahrhundert vor Christus. Die Kelten des Altertums bedienten sich der griechischen, lateinischen und iberischen Schrift, adaptierten diese Schriftsysteme und ergänzten einzelne Zeichen aus anderen Alphabeten, um Eigenheiten der keltischen Sprachen darstellen zu können. In Norditalien entwickelten die Lepontier sogar ein eigenes Alphabet, das sogenannte Lugano-Alphabet, das bereits im 6. Jahrhundert vor Chr. entstanden ist. Es ist eine linksläufige, auf dem nordetruskischen Alphabet basierende Schrift und wurde bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. verwendet. Die erhaltenen Inschriften im Lugano-Alphabet sind leider sehr kurz, selten mehr als Namen auf Funden aus Keramik – also Inschriften des Besitzers oder Empfängers, Grabinschriften und Widmungen.
Die in der Mitte und im Westen der iberischen Halbinsel angesiedelten Keltiberer benutzen zum Verfassen ihrer Inschriften vor allem die iberische Silbenschrift. Diese Inschriften stammen aus dem 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. Es gibt auch einige Inschriften in lateinischer Schrift, die in die Zeit nach der Romanisierung der iberischen Halbinsel im 1. Jahrhundert v. Chr. Datiert werden. Das Keltiberische hat die längsten keltischen Texte hervorgebracht, etwa eine 522 Worte umfassende Inschrift mit dem Namen Botorrita III: eine beschrieben Bronzetafel, nahe des Dorfes Botorrita ausgegraben, besteht hauptsächlich aus Namen. Eine andere in Botorrita gefundene Inschrift namens Botorrita I regelt vermutlich die Nutzung eines heiligen Bezirks.
Am flexibelsten in der Schriftwahl war das Gallische. Während die ältesten gallischen Inschriften in griechischer Schrift abgefasst sind, kommt es im 1. Jahrhundert v. Chr. vermehrt zur Verwendung des lateinischen Alphabets. Zeitlich dazwischen liegen auch noch Funde von gallischen Inschriften im keltiberischen Lugano-Alphabet. Aus dem Gallischen sind uns insgesamt die meisten schriftlichen Quellen einer kontinentalkeltischen Sprache überliefert: auf Keramikscherben, Ziegeln, Bleiplättchen, und Münzen. Es gibt Grab- und Weihinschriften aber auch Inschriften mit profanem Inhalt oder magisch-religiöse Texte. Zu den bekanntesten Funden gehören die Inschriften von Chamalière und Larzac, Bleiplättchen mit längeren Texten von 60 bis 160 Worten. In Chamalière scheint es sich um die Anrufung eines Gottes mit der Bitte um Heilung zu handeln, in Larzac dagegen um eine Verwünschung oder einen Fluch. Aus dem weltlichen Bereich sind besonders die Inschriften auf Spinnwirtelgewichten bekannt, die mit Handspindeln verwendet wurden. Die Verbreitung des Gallischen wird weit über das antike Gallien hinaus angenommen, über einen großen Teil des europäischen Kontinents. Als gallisch sprachig im weiteren Sinn wird ein Gebiet von Gallien über die Schweiz, Süddeutschland, Böhmen und Österreich, über Pannonien und den Balkan bis nach Kleinasien in das Gebiet der Galater verstanden. In Galatien spricht man auch von der galatischen Sprache, die im Galaterbrief des Hl Hieronymus im 4. Jahrhundert erwähnt wird. Hieronymus stellt fest, dass die Galater eine eigene Sprache haben, die fast wie die der Treverer sei, eines keltischen Stammes aus dem Nordosten Galliens, deren Hauptort in provinzialrömischer Zeit das heutige Trier wurde. Dieser Hinweis stützt die Idee eines weitläufigen gallischen Sprachgebietes mit wahrscheinlich regionalen Unterschieden zwischen einzelnen Dialekten.
Aus Österreich selbst sind bisher nur sehr wenige, kurze Schriftzeugnisse bekannt. Gebiete des heutigen Österreich sowie angrenzend von Bayern und Slowenien gehörten ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. zum Königreich Noricum unter der Führung der Noriker. Aus diesem Grund wird für das keltische Österreich die Verwendung einer norischen Sprache angenommen. Gallischer Dialekt oder eigenständige Sprache? Das ist bisher nicht ausreichend geklärt, denn der Wissenschaft stehen derzeit noch unzureichende schriftliche Zeugnisse zur Verfügung. Der längste Text aus Noricum stammt aus Grafenstein in Kärnten, eine Ziegelinschrift aus dem 2. Jahrhundert, die eine finanzielle Transaktion festhält. Ein weiterer bekannter Fund aus Österreich ist das Tontäfelchen vom Dürrnberg bei Hallein. Lange als ältestes Sprachzeugnis aus der Zeit der Kelten angenommen und in das 4. oder 3. Jahrhundert v. Chr datiert, zeigte die jüngste Forschung, dass das Tontäfelchen lateinische Zeichen trägt und aus sehr viel späterer Zeit stammt – ca. 400 n. Christus. Darüber hinaus gibt es in Österreich aber auch zahlreiche keltische Orts- und Flurnamen. Der Name „Vindobona“ etwa für das heutige Wien setzt sich aus dem keltischen Namen Vindos und dem Wort „Bona“ für Gut oder dörfliches Anwesen zusammen. Der Name ist erstmals im 2. Jahrhundert beim Geographen Claudius Ptolemäus belegt.
Fassbar sind die keltischen Sprachen ab dem 6. Jahrhundert v. Chr und lassen sich über die letzten zweieinhalb tausend Jahre im Westen bis auf die Iberische Halbinsel und nach Irland nachweisen, im Süden bis in die Poebene und im Südosten bis in den nördlichen Balkan mit dem Galatischen als Ausläufer in Kleinasien. Auf den britischen Inseln und in der Bretagne gibt es bis heute aktive keltische Sprachen, die im Alltag und als Muttersprache gesprochen werden. Für die Keltologie bedeutet das jedenfalls einen Reichtum an schriftlichen Zeugnissen in keltischen Sprachen, deren Hochzeit mit umfassenden irisch und walisisch sprachigen Manuskripten im Hochmittelalter eingeordnet werden kann. Die Inschriften aus der Zeit der antiken Kelten helfen uns ebenso wie archäologische Funde, Rückschlüsse auf die Verbreitung der Kelten in Europa zu gewinnen.