Keltenpodcast – Episode 8

Keltische Religion (Teil 1)


Signation und Outro, Musik: Tin whistle by louis_audp, shared on Freesound, CC Attribution 3.0 license
Jingle, Musik: Irish dancing by tim.kahn, shared on Freesound, CC Attribution 3.0 license


Über die Religion der Kelten in Österreich ist nur wenig bekannt, auch auf Grund der schlechten Quellenlage. Die keltischen Stämme besiedelten weite Teile West- und Mitteleuropas, es entstand ein weiter geografischer, aber auch zeitlicher Raum, in dem verschiedenartige Kulte entstehen konnten. Die Schilderungen römischer und griechischer antiker Autoren liefern nur Bruchstücke eines komplexen Bildes. Können Kulte und Gottheiten, die etwa in Gallien bekannt waren, auch einfach so auf den österreichischen Raum übertragen werden? In Österreich fehlen etwa für die Existenz von Druiden, deren Wissen von Götterlehre und Kult über Recht, Medizin bis hin zur Astronomie reichte, historischen Belege. Aber es gibt auch keine Belege für ihr Fehlen. Bei archäologischen Quellen ist die Lage ähnlich kompliziert. Woran erkennt man, dass ein Gebäude kultisch genutzt wurde? Wie weiß man, ob ein Werkzeug für Kulthandlungen oder für profane Zwecke verwendet wurde? War eine Person, in deren Grab medizinische Instrumente gefunden wurde, automatisch ein Priester oder gar Druide? Interpretieren wir bildliche Darstellungen von Trinkgelagen als Kultpraktiken oder als Dorffeste, oder beides? Die archäologischen Quellen müssen von Forscher*innen gedeutet werden, und jede Interpretation kann nur eine Annäherung an die damalige Wirklichkeit sein. Bildliche und schriftliche Belege durch die Bevölkerung selbst finden wir erst in römischer Zeit. So finden sich in ganz Österreich Grabsteine, mit Nennung verschiedenster Gottheiten des römischen Reichs, darunter auch viele keltische Gottheiten. Ein großes Problem bei der Suche nach keltischen Gottheiten im österreichischen Raum ist jedoch die interpretatio romana, also die römische Gewohnheit, Gottheiten anderer Kulturen mit den eigenen römischen Göttinnen und Göttern gleichzusetzen. Unter den Weiheinschriften in Österreich finden sich dennoch viele Götternamen, die eindeutig keltischen Ursprungs sind.

Die wohl bekannteste keltische Gottheit in Österreich ist die Göttin Noreia.[1] Der Name stammt vermutlich vom Stamm der Noriker, der vor allem im Süden Kärntens siedelte. Mit dem Aufstieg der Noriker gewann auch ihre Stammesgottheit an Einfluss. Noreia wurde nach der friedlichen Eingliederung des norischen Königreichs ins römische Reich als Isis-Noreia offiziell von den Römern verehrt. Die Gleichsetzung von Noreia mit Isis scheint auf eine Funktion als himmlische Schutz- und Muttergottheit zu deuten. Ebenfalls beliebt war die keltische Göttin Epona, die Schutzpatronin der Pferde.[2] Der Kult der Epona füllte offenbar eine Lücke im römischen Pantheon und Epona wurde bald im gesamten römischen Reich verehrt, wobei die Göttin vor allem bei den berittenen Soldaten beliebt war. Nicht selten wurden Pferdeställe mit einem Schrein der Epona geschützt. Eine keltische Himmels- und Berggottheit war Latobius, der vor allem auf Berggipfeln wie der Koralpe und entlang von Passstraßen des Königreichs Noricum verehrt wurde.[3] Eine gesamtkeltische Gottheit, die auch im Regnum Noricum verehrt wurde, war Belinos.[4] Belinos (auch Belenus) war ein keltischer Licht- und Sonnengott und vermutlich auch ein Gott der Heilung, dem tönerne Pferdefiguren und Räder geopfert wurden. Aus diesem Grund entstand der Glaube, Belinos würde in einem feurigen Wagen als Sonne über den Himmel fahren.

Einige keltische Gottheiten sind nur wenige Male in Österreich belegt und ob sie von den Einheimischen verehrt wurden oder aus anderen keltischen Gebieten mitgebracht wurden, ist nicht genau zu sagen. Zu diesen Göttern zählt Grannos, der als Heil- und Sonnengott verehrt wurde und dessen Kultstätten an heißen Quellen lagen. So etwa Aqua Granni nahe Aachen, das auch in römischer Zeit sehr beliebt war. Zwei Belege für seine Verehrung befinden sich in Österreich. Der vor allem in Gallien verehrte Smertrios ist nur einmal belegt. Smertrios dürfte ein Kriegsgott gewesen sein, der mit Keule oder Fackel dargestellt wurde. Seine genaue Funktion ist unbekannt, sein Name könnte entweder die Bedeutung „einschmieren, einfetten“ oder „sich erinnern, sich sorgen“ haben. Der Gott Toutatis, auch Teutates genannt, heißt wortwörtlich Stammvater. Sein Kult wurde von den Römern mit Mars in Verbindung gebracht, was auf eine kriegerische oder schützende Funktion hinweist. Sein Name findet sich auf einer Weihetafel in Flavia Solva bei Leibnitz in der Südsteiermark. Ein einmal belegtes Aeso könnte für den keltischen Gott Esus, der als Handels-, Handwerks- und Kriegsgottheit in Gallien bekannt ist, stehen. Sicher ist diese Gleichsetzung jedoch nicht.

Wie sich zeigt, sind Informationen über keltische Kulte in Österreich spärlich und es ist ungewiss, ob etwa der für Gallien belegte Brauch der Kopfjagd – das Sammeln der Köpfe von getöteten Gegnern – in unseren Breiten praktiziert wurde. Oder ob und wenn ja, unter welchen Umständen und zu welchen Zweck, es Menschenopfer gegeben hat, wissen wir nicht. Für das den Kelten zugeschriebene, besondere Naheverhältnis zur Natur und ihre Verehrung gibt es keine Belege. Gerade für Österreich wissen wir, dass die hier lebenden keltischen Stämme eine regelrechte Schwerindustrie aufgebaut haben. Das Produkt, das berühmte norische Eisen, wurde in großen Mengen ins römische Reich exportiert. Für die Gewinnung und Verhüttung dieses Eisens mussten jährlich tausende Kubikmeter Holz verarbeitet werden.

Es gab und gibt Versuche, heutiges Brauchtum in Österreich auf keltische Wurzeln zurückzuführen. Doch ist das, was wir über die keltische Religion in Österreich wissen, zu vage. Die keltischen Gottheiten bleiben im Nebel der Vergangenheit verborgen.


[1] 15x belegt in Österreich
[2] 11x belegt in Österreich
[3] 6x belegt in Österreich
[4] 7x belegt in Österreich