Keltenpodcast – Episode 7

Die iroschottische Mission


Signation und Outro, Musik: Tin whistle by louis_audp, shared on Freesound, CC Attribution 3.0 license
Jingle, Musik: Irish dancing by tim.kahn, shared on Freesound, CC Attribution 3.0 license


Das europäische Früh- und Hochmittelalter ist geprägt durch ein Phänomen mit entscheidendem Einfluss auf die damalige Zeit: die iroschottische Mission. Das Christentum ist bereits seit dem frühen 5. Jahrhundert in Irland belegt. Frühe Missionare wie der Heilige Patrick verbreiteten und festigten das Christentum in Irland, dienten späteren Generationen als Vorbild und werden bis heute verehrt. Allerdings haben die jährlichen St. Patricks Day Feiern am 17. März wenig mit christlicher Heiligenverehrung zu tun.

Der Zusammenbruch des römischen Reichs und die Wirren der Völkerwanderungszeit lösten eine Zeit politischer, aber auch wirtschaftlicher Umbrüche aus, mit Kriegen und Hungersnot, aber auch Raubzügen. Es wurden Fluchtbewegungen ausgelöst, die große Teile Europas betrafen. In Irland jedoch entwickelte sich gleichzeitig eine hoch gelehrte christliche Kultur, die in den vielen irischen Klöstern gepflegt wurde, die miteinander im intellektuellen Austausch, aber auch im politischen Wettstreit standen. Die Gründung des Klosters Iona im Jahr 563 auf einer Insel zwischen Irland und Schottland läutete den Höhepunkt dieser kulturellen Blüte ein. Irische Gelehrsamkeit, gepaart mit einem einzigartigen Stil der Buchmalerei – als Beispiel kann das berühmte Book of Kells genannt werden – strahlte von hier nach ganz Europa aus.

Ein wichtiger Aspekt des irischen Mönchtums war die Askese, also die freiwillige Erduldung von Entbehrungen zur spirituellen Erleuchtung, darunter auch die Isolation der christlichen Gemeinschaft oder auch die selbstgewählte Isolation, das „grüne Martyrium“. Hohes Ansehen im irischen Mönchstum genossen ebenso Märtyrer, die für Jesus und die Verbreitung des Christentums getötet wurden – das sogenannten blutige „rote Martyrium“. Daneben erlangte gerade in Irland das „weiße Martyrium“ hohe Beliebtheit: das Verlassen der Heimat, um unter Heiden zu leben, das Wort Gottes zu verbreiten und den Märtyrertod zu finden. Durch das „Weißen Martyrium“ begannen irische Mönche heidnische Angelsachsen in Britannien und auch Heiden auf dem Kontinent zu missionieren. Und diese Missionstätigkeit irischer Mönche wird als „iroschottische“ oder „schottische Mission“ bezeichnet, ein zugegeben etwas irreführender Begriff. Dieser leitet sich vom Namen des irischen Stammes der „Scotti“ ab, die seit der Antike mit den Bewohnern Irlands gleichgesetzt wurden, auch nach Nordbritannien expandierten und die dort so bedeutend waren, dass das Gebiet später nach ihnen benannt wurde: Schottland.

Der vielleicht einflussreichste irische Mönch war Columban, der von Irland um das Jahr 591 mit zwölf Gefährten nach Gallien auszog. Durch seine Gelehrsamkeit erregte er die Aufmerksamkeit des merowingischen Königs, der als Förderer Columbans die Gründung des Klosters Luxeuil ermöglichte. Ein Streit mit römischen Klerikern, die im irischen Christentum eine veraltete, von Rom abweichende Form des Christentums sahen, brachte Columban dazu, Gallien zu verlassen. Er zog zunächst in das Gebiet um den Bodensee und später weiter ins Reich der Langobarden. Dort gründete er im Jahr 612 das Kloster Bobbio, das ebenfalls zu einem der bedeutendsten Bildungszentren Europas im Frühmittelalter wurde. Columbans Klostergründungen erschufen Zentren christlicher Gelehrsamkeit auf dem Kontinent, die über Jahrhunderte bestehen sollten. Irische Mönche brachten nach seinem Vorbild auf ihren Reisen das Christentum auch in den süddeutschen Raum. So gründete beispielsweise der irische Mönch Gallus in dieser Zeit das Kloster von St. Gallen in der heutigen Ostschweiz. Etliche irische Mönche wurden auf Grund ihrer Missionarstätigkeit auch als Märtyrer getötet, so etwa der Wanderbischof Killian im Würzburger Raum. Ab circa 800 nach Christus setzte durch beginnende Wikingerüberfälle der Niedergang der Klosterkultur in Irland ein. Klöster samt ihrer Bibliotheken wurden zerstört, Kunstwerke geplündert und etliche irische Handschriften von höchster Kunstfertigkeit überdauerten nur, weil flüchtende irische Mönchen sie auf den Kontinent brachten.

Der Ire Marianus Scotus läutete eine zweite Phase irischer Klostergründungen auf dem Kontinent ein. Er trat im Zuge einer Pilgerfahrt dem Benediktinerorden bei und ließ sich um 1070 n. Chr. in Regensburg nieder. Dort gründete er die berühmte Abtei St. Jakob und zwischen 1134 und 1142 n. Chr. Tochterklöster in Würzburg, Erfurt, Nürnberg und Konstanz.

Die Gründung des Schottenklosters in Wien um 1155 erfolgte ebenfalls in der Blütezeit dieser iroschottischen Klostergründungen, denn der Babenberger Herzog Heinrich II. wollte durch die Ansiedelung der hochangesehenen Mönche seine neue Residenzstadt Wien aufwerten. Explizit lobte Heinrich II. die außergewöhnliche Bescheidenheit der gelehrten irischen Mönch, die einem besonderen Privileg folgten: sie durften nur unter ihresgleichen leben. Die Aufnahme anderssprachiger Mitbrüder war nicht angedacht. Das heißt, mitten in Wien befand sich eine Gemeinschaft, die Irisch untereinander gesprochen hat. Diese Schottenklöster boten irischen Mönchen nach der Eroberung Irlands durch den englischen König um 1171 die notwendige Gelegenheit, ihre Bräuche ohne englische Einmischung weiter auszuüben. Doch führten der Ausbruch der Pest um 1350 und ihre Folgen zu einem langsamen, steten Rückgang irischer Mönche. Dieser Mangel an jungen Mönchen führte unter Herzog Albrecht V. zu einer erzwungenen Öffnung des Wiener Schottenklosters für Mitbrüder jedweder Nation. Der Name Schottenklöster blieb erhalten, in Sprache und Gebräuchen unterschieden sie sich allerdings bald nicht mehr von anderen Klostergemeinschaften.

Doch lässt sich festhalten, dass irische Mönche zur Verbreitung des christlichen Glaubens auf dem Kontinent maßgeblich beigetragen haben – hierfür finden wir auch sehr viele Belege.