Keltenpodcast – Episode 11

Keltisches Kunsthandwerk



Die Hallstatt- und die Latènekultur kennzeichnen sich durch ein charakteristisches Typenspektrum von Gegenständen aus. Aus kunstgeschichtlicher Sicht sind auch charakteristische Kunststile, einerseits der Hallstatt- und andererseits der Latènestil, diesen Epochen zugeschrieben. Bei der Entwicklung dieser Kunststile spielten keltische Bevölkerungen auf dem Gebiet des heutigen Österreichs eine recht bedeutende Rolle, insbesondere in Hallstatt und am Dürrnberg bei Hallein. Der Latènestil, der sich um etwa 450 vor Christus entwickelt hat, war zudem die erste abstrakte Kunstform, die weite Teile Europas mit einer eigenen Bildsprache dominierte. Die notwendige Kunstfertigkeit finden wir bereits während in der Hallstattkunst, die sich durch geometrische Verzierungen wie Rechtecke, Rauten, Dreiecke oder Mäanderverzierungen kennzeichnete. Im österreichischen Raum finden sich auch figürliche Verzierungen auf Metallblech als Treibarbeit, Ritzverzierungen oder Metallapplikationen auf Keramikgefäßen. Vermutlich wurde diese Art der Verzierung auch auf anderen Materialien, zum Beispiel Holz oder als Bemalung auf verputzten Hauswänden verwendet. Ebenso ist die Verwendung als Muster auf Borten von Kleidungsstücken oder größeren Stoffstücken möglich. Viele Stoffe waren einfärbig, es gab aber auch mehrfarbig gewebte Muster oder bei Borten komplexe, aus verschiedenen bunten Farben gewobene Muster. Nachgewiesen sind blaue, gelbe und rote Farbstoffe, auch kombiniert zu einem breiten Spektrum an verschiedenen weiteren Farben. Auch braune und schwarze Stoffe waren zum Großteil gefärbt.

In der Gefäßkeramik dominierten die Farben Schwarz, Rot und Weiß. Es könnte abgeleitet werden, dass diese Farben auch in der Gestaltung von Architektur sowie bei bemalten Verzierungen auf Hauswänden beliebt gewesen sein könnten. Auf repräsentativen Metallblechgefäßen, den sogenannten Situlen, finden wir die Situlenkunst, aber auch auf metallenen Gürtelblechen oder auf Keramik und auch vereinzelt als eigenständige plastische Kunstwerke der figürlichen Kunst. Die Situlenkunst kennzeichnet eine realistische Motivwahl, die in comicartigen Umzeichnungen dargestellt wird. Auf Situlen sind figürliche Szenen oft Comicstrip artig auf mehreren übereinanderliegenden Streifen angebracht. Diese aus Bronzeblech hergestellten Metalleimer dienten als Mischgefäße für alkoholische Getränke. Situlenkunst gibt es im österreichischen Raum bis in die Frühlatènezeit, mit Darstellungen von Menschen bei verschiedenen Tätigkeiten (Pflügen, Tierzucht, Jagd, Krieg, Prozessionen, Wagenrennen, Feste und auch Sex in verschiedenen Stellungen), Tieren oder diversen Werkzeugen, Waffen und Gerät. Bekannte Beispiele davon aus Österreich: die figural verzierte Schwertscheide/Gräberfeld von Hallstatt und die Situla von Kuffarn. Bronzeblechtreibarbeiten sind gleichfalls sehr kunstfertig, beispielsweise der Goldhalsreif aus einem hallstattzeitlichen Wagengrab aus Uttendorf im oberösterreichischen Innviertel. Dieser Goldblechstreifen wurde zu einem in mehreren Streifen gerippten und mit geometrischen Mustern verzierten Halsreif von 21 Zentimeter Innendurchmesser getrieben und ist das bekannteste derartige Stück. Die südostalpine Gruppe des Osthallstattkreises weist andere, aber nicht weniger kunstfertige Objekte auf. Besonders bekannt sind die aus Bronze gefertigte Gesichtsmaske und die zugehörigen Handflächen, die in Punzbuckeltechnik mit geometrischen Ornamenten reich verziert sind.

Viele der Techniken zur Verzierung von Objekten werden auch in der Latènekunst weiterverwendet, jedoch dominieren florale, organischer wirkende Motive wie blütenblatt- oder fischblasenförmige Motivelemente, Spiralen, S-Schleifen, Rankenzier und dergleichen. Realistische Darstellungen werden durch Darstellungen von Fabelwesen, Masken und dämonisch anmutende Fratzen ersetzt, zusammengesetzt aus einzelnen abstrakten Bildelementen. Teile dieser Ornamentik waren mit mathematischer Präzision mit dem Zirkel konstruiert. Die Latènekunst ist bewusst vieldeutig gestaltet und oft ist selbst an einem Einzelobjekt eine veritable Vexierbildersammlung ausgeführt. Also je nachdem auf welchen Aspekt des Ornaments fokussiert wird, offenbaren sich unterschiedliche Motive – Fratzen, Masken, Tiefbilder, oder Pflanzen verschiedener Art. Auch das gesamte Motiv aus größerer Distanz betrachtet oder kleine Details des Motivs zeigen weitere unterschiedliche, eigene Bilder. Diese eisenzeitlichen Bilderrätsel zeigen Motive, deren Vorbilder aus Beispielen der Kunst ferner Länder übernommen wurden. Die Ornamentelemente, entstanden aus der Zerlegung des Palmetten- und des Lotusblütenmotivs, finden sich schon in der griechischen Kunst des 6. und 5. Jahrhunderts vor Christus und wurden in eindeutig lokaler Umformung zu Motiven zusammengestellt. Wichtig ist also, nicht nur die einheimische Hallstattkunst, sondern auch die weiträumig der Latènekunst benachbarten Kunststile aus dem griechischen, etruskischen, skythischen, römischen und anderen Räumen zu kennen. Lotusblüte und Palmette haben ihren Ursprung etwa in der ägyptischen Kunst, auch ganze Objekttypen werden übernommen und umgestaltet. Wie das Beispiel der Schnabelkanne vom Dürrnberg, mit Vorbild etruskischer Schnabelkannen, die im 5. und 4. Jahrhundert vor Christus aus Etrurien – der heutigen Toskana – nach Mitteleuropa und Westfrankreich importiert wurden. Diese plumpen, bauchigen Kannen könnten als Vorbilder für die eigenständige Entwicklung der Schnabelkanne vom Dürrnberg gedient haben. Dieses Meisterwerk ist also eine Mischung aus etruskischen Vorbildern und neu zusammengestellten, in ihre Einzelteile zerlegten griechisch-ägyptischen Motiven. Wir kennen eine weitere, zum Verwechseln ähnliche zweite derartige Schnabelkanne aus dem Fürstengrab vom Glauberg in Hessen. Diese Schnabelkannen sind gute Beispiele für eine Eigenart der Entstehung der Latènekunst, aus Interaktion zwischen Künstlern an verschiedenen, teilweise weit voneinander entfernt liegenden Orten. Mit enormer künstlerischer Kreativität und mit Hilfe einer weiträumig vernetzten intellektuellen und politischen Elite wurde diese Kunstform geschaffen.

In der Latène-Metallkunst gibt es zahlreiche neue Entwicklungen, etwa die Einlage von anderen Materialien wie Korallen, Knochen, aber auch Goldblech oder Emaillierung, also auf Metalloberflächen aufgeschmolzenes buntes Glas. Insbesondere Kombinationen von rotem und goldglänzendem Material scheinen sich besonderer Beliebtheit erfreut zu haben. Gelegentlich gibt es aber auch andere Farbkombinationen mit Gold. Daneben gibt es weitere bedeutende Neuerungen: Spätestens mit dem Beginn des Latène kommt die schnell rotierende Töpferscheibe auf, zudem wird die Drehbank populär. In der Latènezeit kommen kunstvolle, nahtlos gefertigte bunte Glasarmringe auf, erzeugt aus einem einzigen Glastropfen mit elaborierten mehrwulstigen Designs, aufgebrachter plastischer Verzierung und Wellenbändern oder Linien aus andersfarbigem Glas. Fragmente solcher Glasarmringe finden sich sogar häufig auf latènezeitlichen Fundstellen in Österreich. Viele der Kunsthandwerksprodukte hat man am Körper getragen, wie eben Hals-, Arm- und Beinringe, Gewandspangen, Gürtelbeschläge, Schuhbeschläge, Ziernieten auf Kleidungsstücken und dergleichen mehr. Und davon war vieles goldglänzend und bunt; inklusive der Kleidung, die die Menschen trugen. Was wir über das keltische Kunsthandwerk und die Kunstfertigkeit keltischer Kunsthandwerker wissen verrät uns also, dass die keltische Eisenzeit in Österreich nicht nur grau, düster und dreckig war, sondern oft auch bunt, glänzend, und kunstvoll gestaltet.